Urteil über gelöschte Beiträge zur Corona-Impfung

Richter sieht Meinungsfreiheit in Gefahr

Das Landgericht Berlin II bestätigt die Löschung der Beiträge auf der Plattform LinkedIn. Unser Autor warnt vor betreutem Denken und der WHO als „Wahrheitsinstanz“.
von Manfred Kölsch

Das Landgericht Berlin II hatte in einem Fall darüber zu entscheiden, ob das LinkedIn-Profil des Klägers gesperrt und drei Einträge aus dem Jahr 2022 gelöscht werden durften. Es geht um einen Beitrag von Dr. Alexander Zinn in der Berliner Zeitung1https://www.berliner-zeitung.de/wochenende/zwischenruf-eines-geimpften-warum-ich-verstaendnis-fuer-die-impfskeptiker-habe-li.204231: „Zwischenruf eines Geimpften: Warum ich Verständnis für die Impfskeptiker habe“ und zwei offene Briefe zu Nebenwirkungen der Covid-Impfungen und der Verfassungswidrigkeit der Impfpflicht. Der eine Brief stammte von einer Gruppe von Wissenschaftlern2https://www.berliner-zeitung.de/news/wissenschaftler-darum-ist-die-impfpflicht-verfassungswidrig-li.216116 und der andere vom Netzwerk Kritischer Richter und Staatsanwälte3https://netzwerkkrista.de/2022/04/04/offener-brief-an-die-mitglieder-des-bundestages-anlaesslich-der-geplanten-abstimmung-zur-impfpflicht-am-7-april-2022/.

Bei LinkedIn handelt es sich nach dem Urteil vom 2. Juli 2024 (Aktz.: 27 O 270/22) um eines der größten sozialen Netzwerke weltweit mit über 774 Millionen Mitgliedern in 200 Ländern, davon in Deutschland 16 Millionen. Auf das Geschäftsgebaren dieser Plattform ist der sogenannte Digital Services Act (DSA)4https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/richter-warnt-meinungsfreiheit-in-der-eu-in-akuter-gefahr-li.2177580, eine europäische Verordnung, anwendbar.

Aus hier nicht weiter interessierenden formalen Gründen wurde die Sperrung des LinkedIn-Profils des Klägers aufgehoben. Die drei genannten Beiträge unterlägen jedoch der Löschung, entschied das Landgericht, weil sie nach seiner Ansicht im Sinne des Digital Services Act „irreführende“ (S. 13) und „falsche“ (S. 14) Informationen enthielten.

In Artikel 34 der Verordnung wird den Plattformen aufgegeben, bei Eintragungen sorgfältig zu ermitteln, zu analysieren und zu bewerten, ob sich daraus „systemische Risiken in der Union“ entwickeln können. Bei dieser aufgegebenen Bewertung haben sie zu beachten, dass diese systemischen Risiken nicht nur durch rechtswidrige Einträge verursacht werden können, sondern auch durch „anderweitig schädliche Informationen und Tätigkeiten“ oder durch „irreführende und täuschende Inhalte, einschließlich Desinformationen“.

Die Plattformen müssen, „voraussichtlich kritische“, „voraussehbar nachteilige“ oder „absehbar nachteilige Auswirkungen“ auf die „gesellschaftliche Debatte“, auf „Wahlprozesse“, „die öffentliche Sicherheit“ oder den „Schutz der öffentlichen Gesundheit“ beachten.

Präventive Überwachung

Hier wird offensichtlich, dass die Überwachungspflichten der Plattformen präventiv angelegt sind. Daraus ergeben sich besonders gravierende Eingriffe in die Informations- und Meinungsfreiheit5https://www.berliner-zeitung.de/topics/meinungsfreiheit, weil dadurch indirekt jede öffentliche Debatte über den Inhalt von Informationen schon vor deren Verbreitung erschwert oder gar verhindert wird.

Das Landgericht setzt sich – obwohl sich eine solche Erörterung geradezu aufdrängt – in seinem Urteil mit keinem Wort damit auseinander, ob die genannten, hier entscheidungserheblichen Klauseln des Digital Services Act, eventuell gegen verschiedene Artikel zur Meinungs- und Informationsfreiheit verstoßen6https://netzwerkkrista.de/2024/01/16/meinungsfreiheit-ein-auslaufmodell/. Dazu gehören: Artikel 11 der EU-Grundrechtecharta, Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention oder Artikel 5 des Grundgesetzes.

Darüber hinaus gibt es beim Digital Service Act ein weiteres grundsätzliches Problem, mit dem sich das Gericht aber ebenso wenig auseinandersetzt: Die Verordnung bleibt vage und systematisch unscharf, wenn es darum geht zu definieren, was genau zu den gesetzeswidrigen und damit zu löschenden Äußerungen gehört. Damit verstößt die Verordnung gegen das sogenannte Bestimmtheitsgebot, das besagt, dass für den Bürger voraussehbar und berechenbar sein muss, was strafbar ist und was nicht. Das Landgericht übergeht, dass die von den Plattformen zu beachtenden gesetzlichen Vorgaben nicht verfassungskonform sind, eben weil sie nach Zweck und Ausmaß nicht hinreichend bestimmt sind.

Einerseits ist es Konsens, dass die von den Plattformen zu ca. 90 Prozent angewandten automatischen Inhaltserkennungstechnologien nicht in der Lage sind, im individuellen Fall zutreffende Werturteile über „falsch“ und „irreführend“ zu treffen. Andererseits ist aus Sicht der Plattformen – sei es auch auf Kosten der Meinungsfreiheit des Bürgers – zwingend, eine Lösung zu finden, will man sich nicht Sanktionen von bis zu „6 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes des betreffenden Anbieters … im vorangegangenen Geschäftsjahr“ aussetzen (§ 52 Abs. 3 DSA).

Dem Urteil ist zu entnehmen, dass nach den Community-Richtlinien genannten Allgemeinen Geschäftsbedingungen von LinkedIn sich das Erkennen von „falsch“ und die Entlarvung als „irreführend“ nach den „Leitlinien führender Gesundheitsorganisationen und Gesundheitsbehörden“ richtet. Das Landgericht Berlin II hält diese Vorgehensweise der Plattform aus Zweckmäßigkeitsgründen für zulässig. Das Landgericht wörtlich:

„Um Willkür bei der Prüfung zu vermeiden, hat sich die Beklagte mithin zulässigerweise selbst einen mit den Erkenntnissen der weltweit führenden Gesundheitsorganisationen neutralen Maßstab gegeben, an dem sie die Zulässigkeit von Beiträgen im Zusammenhang mit medizinischen Fragestellungen misst … Dass es dennoch – theoretisch – möglich sein könnte, dass die vom Kläger verbreiteten medizinischen Thesen zutreffen, führt nicht zu einer anderen Beurteilung, denn der Beklagten muss eine überschaubare Entscheidungsgrundlage zugebilligt werden, die sich nicht in einer umfangreichen Auseinandersetzung mit umfangreicher Literatur zu befassen hat.“

Willkürlicher Verweis auf WHO als „Wahrheitsinstanz“

Mit gerichtlicher Hilfe wird hier LinkedIn eine Generalabsolution erteilt durch Verweisung auf eine „Wahrheitsinstanz“, die für das Landgericht Berlin II, ohne plausibel gemachten Grund, die WHO verkörpert, obwohl in den AGB von LinkedIn von Gesundheitsorganisationen und -behörden im Plural die Rede ist. Warum das Landgericht ausgerechnet auf die WHO7https://www.berliner-zeitung.de/topics/who abstellt, wird nicht nachvollziehbar erläutert.

Bei einer gerichtlichen Analyse der Zahlungsströme hätte sich gezeigt, dass ein wesentlich von der Gates Foundation und der globalen Impflobby Gavi gespeistes Netzwerk von Organisationen 2020–2021 fast 20 Prozent des WHO-Gesamtbudgets bestritt. Untersuchungen zeigen, dass zwischen der WHO, der Gates Foundation und der globalen Impflobby Gavi eine Art Personalkarussell8https://globale-gesundheit.com/finanzierung/ stattgefunden hat. Circa 200 Personen haben zwischen diesen Institutionen den Arbeitgeber gewechselt. Damit ist naheliegend, dass die WHO maßgeblich von privaten Interessen beeinflusst wird.

Für eine Gerichtsentscheidung, die den Grundsätzen der unvoreingenommenen Rechtsfindung verpflichtet ist, hat eine solche Institution als nicht hinterfragbare Instanz für das, was an einer Meinungsäußerung „falsch“ bzw. „irreführend“ sein könnte, auszuscheiden.

Für das Landgericht spielt es auch keine Rolle, dass sich LinkedIn seine AGB spätestens 2021 gegeben hat. Die Wertung, was 2021 „führende“ Gesundheitsorganisationen und Gesundheitsbehörden waren, kann sich bis zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung, am 2. Juli 2024, geändert haben. Das entgeht der Aufmerksamkeit des Landgerichts. Welche neuen entscheidungserheblichen Erkenntnisse über die Corona-Maßnahmen innerhalb von ca. 2½ Jahren bis zur Urteilsverkündung gewonnen worden sind, wird von dem Landgericht als nicht entscheidungserheblich abgeschoben. Neue und geläuterte Erkenntnisse gelten weiterhin als „falsch“ und „irrelevant“.

Elementare Beschädigung der Meinungsfreiheit

Mit gerichtlicher Unterstützung wird die Verengung des Meinungskorridors gutgeheißen, die eine Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen9https://www.berliner-zeitung.de/open-source/verschaerfung-der-coronapolitik-rki-chef-schaade-nennt-irrefuehrende-gruende-dafuer-li.2229168 zumindest erschwert. Wenn die WHO einmal, wie das Landgericht zitiert, dekretiert hat, dass „schwerwiegende oder lang anhaltende Nebenwirkungen (nach Impfung) extrem selten“ seien, so hat das unabhängig von neuen Erkenntnissen mit Billigung des Landgerichts Berlin II offensichtlich dauerhaft Bestand.

Das Landgericht Berlin II fügt dem Grundrecht der Meinungsfreiheit10https://www.berliner-zeitung.de/open-source/urteil-ueber-lauterbach-bildmontage-sind-kunst-und-meinungsfreiheit-in-gefahr-li.2208671 mit dieser Entscheidung elementaren Schaden zu.

Das Urteil verkennt, dass nach dem Bundesverfassungsgericht11https://www.berliner-zeitung.de/topics/bundesverfassungsgericht nur durch autonome individuelle und öffentliche Meinungsbildungsprozesse eine umfassende Informationsgrundlage hergestellt werden kann, auf der staatliches und privates Handeln kritisch reflektiert werden kann. Es schaltet den demokratischen Kernbereich aus, den das Bundesverfassungsgericht 1958 wie folgt beschreibt:

„Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist [das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung] schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist“.

Das Urteil des Landgerichts Berlin II propagiert betreutes, von einer „Wahrheitsinstanz“ gelenktes Denken und Handeln.

Dr. Manfred Kölsch war ca. 40 Jahre lang Richter, in den letzten Jahren vor seiner Pensionierung Vorsitzender Richter. Seit seiner Pensionierung ist er als Rechtsanwalt tätig. Aus Protest gegen die Corona-Maßnahmen hat er Anfang 2021 das ihm verliehene Bundesverdienstkreuz zurückgegeben. Er ist Mitglied der Kritischen Richter und Staatsanwälte (KRiStA).

Quelle: Berliner Zeitung

 

Anmerkungen von Mato

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